Überall im Land finden derzeit Protestaktionen gegen den Schiedstellenbeschluss 2015 bezüglich Hausgeburtshilfe und Terminübertragung statt. Zu dem für freie Hebammen und Frauen, die ihr Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes gewahrt wissen möchten, skandalösen Beschluss konnte es nur kommen, da die Politik in unserem Land die Augen vor dem Problem verschließt. Tut Empörung lautstark kund!
Der Schiedstellenbeschluss 2015
Der GKV (Spitzenverband der Krankenkassen) und der Hebammenverband schließen einen Versorgungsvertrag, der den Anspruch an Hebammenhilfe regelt. Der Vertrag regelt nicht, was Hebammen dürfen. Aber er bestimmt, welche Leistungen aus der Hebammenarbeit und zu welchen Bedingungen von den Krankenkassen gezahlt werden.
Ausschlusskriterien greifen in freie Entscheidung ein
Ausschlusskriterien bedeuten, dass in diesen Fällen die Kosten von der Krankenkasse nicht übernommen werden und demnach auch viele Frauen diese Leistungen nicht mehr in Anspruch nehmen (können). Es gibt bereits Ausschlusskriterien für die Geburt im Geburtshaus, z.B. Zwillinge, Beckenendlage usw. Zu unserem großen Entsetzen wurde eine Hausgeburt, bei der eine Schwangere 3 Tage über Termin ist und keine unauffällige fachärztliche Untersuchung vorweisen kann, zum Ausschlusskriterium erhoben!
Die Bedeutung der Ausschlusskriterien für die Praxis
Eine Versicherte, die eine Hausgeburt plant, muss bei ET + 3 zu ihrem Gynäkologen zur Vorsorge (oder am Wochenende ins Krankenhaus). Die Vorsorge muss im Mutterpass dokumentiert werden. Wenn bei der Untersuchung eine Abweichung von der Norm (wie auch immer die Norm aussehen mag! Wir sind davon überzeugt, dass jedes Kind ein individuelles Wachstum und einen individuellen optimalen Geburtstermin hat) von ärztlicher Seite festgestellt wird, dürfen Hebammen die Hausgeburt nicht mehr begleiten und abrechnen. Hebammen begehen, falls sie doch eine Rechnung einreichen, eine Straftat und können schlimmstenfalls nicht mehr als Hebamme arbeiten. Außerdem bekommt die Versicherte diese Geburt nicht mehr von der Krankenkasse bezahlt.
Selbst wenn die Versicherte die Hebamme privat bezahlt, kann es sein, dass der Hebamme berufs- und haftungsrechtliche Folgen drohen. Dieses Ausschlusskriterium macht es unmöglich, der eigenen Fachkompetenz zu folgen – Hebammen werden gezwungen, sich gegen ihre berufliche Ethik und Verpflichtung zu stellen und sich den fragwürdigen vertraglichen Verpflichtungen der Krankenkasse gegenüber beugen zu müssen. Und Frauen werden gezwungen, bei ET + 3 eine Vorsorge von einem Arzt durchführen zu lassen, egal, ob sie das möchten, oder nicht.
Regelungen aus der Luft gegriffen
Dieses Ausschlusskriterium ist wissenschaftlich nicht als „gefährlich“ bewiesen und wirkt wie förmlich aus der Luft gegriffen. Hebammen sind dafür ausgebildet, normal verlaufende Schwangerschaften zu betreuen. Die Krankenkassen entscheiden einfach, dass Frauen, die bei ET + 3 noch schwanger sind, von der „Norm“ abweichen. Dadurch wird die Schwangerschaft ab ET + 3 patologisiert. Neben dem Selbstbestimmungsrecht einer jeden Frau wird auch unsere berufliche Kompetenz massiv eingeschränkt.
Frauen sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, ärztliche Schwangerschaftsvorsorge in Anspruch zu nehmen oder in der Klinik entbinden zu müssen. Das ist in Zukunft anders! Ob Ärzte aus haftungsrechtlicher Sicht bereit sind, Frauen bei ET + 3 eine physiologische Schwangerschaft zu bescheinigen, ist fraglich und bleibt abzuwarten.