Gewalt unter der Geburt. Das kann doch nicht sein. Geburtshelfer als Gewalttäter? Nein. Allein bei der Vorstellung stellen sich normaler Weise alle Nackenhaare. Und was nicht sein darf, kann auch nicht sein. Leider doch. Motherhood e.V. thematisiert dies immer wieder und führt eine Schätzung von Christina Mundlos ins Feld, welche diese in ihrem Buch „Gewalt unter der Geburt“ (2015), anführt: etwa 40 – 50 Prozent der Gebärenden in Deutschland seien davon betroffen. Auch die Weltgesundheitsorganisation kennt das Problem und spricht von gravierenden Verletzungen der Menschenrechte in Geburtseinrichtungen. Wie kann das sein? Viele Frauen erleben u. a. aufgrund von Personalmangel, fehlendem Respekt oder aus Routine Gewalt während der Geburt ihrer Kinder. Am Roses Revolution Day werden diese Missstände sichtbar. Setze auch du ein Zeichen, damit sich endlich etwas ändern kann!
Gewalt in der Geburtshilfe
Das sind Handlungen, Vorgänge und/oder systemische sowie soziale Zusammenhänge, die sich während der Schwangerschaft, unter der Geburt oder im Wochenbett negativ beeinflussend, verändernd oder schädigend auf Frauen und ihre (ungeborenen) Kinder auswirken. Indirekt können auch Partner, Geburtshelfer oder Familienangehörige betroffen sein. Hier eine Übersicht über Gewalt in der Geburtshilfe, die am Roses Revolution Day zur Sprache kommt, von Mascha Grieschat, Motherhood e.V.:
Physische Gewalt unter der Geburt
- Festhalten
- Festschnallen der Beine
- keine freie Wahl der Geburtsposition (z.B. in Rückenlage auf dem Gebärbett)
- grobe Behandlung (z.B. Katheter unnötig schmerzhaft legen)
- medizinisch nicht indizierte Untersuchungen (z.B. wiederholt nach dem Muttermund zu tasten, wenn dies nicht gewollt/notwendig ist)
- ohne Einverständnis und ohne medizinische Notwendigkeit einen Dammschnitt durchzuführen
- ohne Einverständnis und ohne medizinische Notwendigkeit einen Kaiserschnitt zu machen
- ohne Einverständnis und ohne medizinische Notwendigkeit sonstige medizinischen Interventionen (Medikamentengabe, Kristellern, Katheter legen) durchzuführen.
- Schläge, Ohrfeigen, Kneifen
- Zwang unter Wehen still zu liegen
Psychische Gewalt unter der Geburt
- Anschreien
- Ausübung von verbaler Gewalt. Z.B. zu sagen: „Wenn sie jetzt nicht mitarbeiten, dann stirbt Ihr Baby!“ oder „Seien sie gefälligst still!“ oder „Guck dich mal an Mädchen, du bist fertig – du musst eine PDA nehmen.“
- Beschimpfen
- Druck ausüben oder erpressen
- Gebärende unter Geburt allein lassen (außer, wenn sie dies ausdrücklich will)
- keine (echte) Wahlfreiheit bei medizinischen Interventionen lassen
- Machtmissbrauch
- Nötigung
- Sexualisierte Gewalt in Form von Sprache, Witzen
- Verbot zu essen/trinken, sich zu bewegen
- Willkür
- Zwang
Auswirkungen
Wer weiß, dass eine natürliche Geburt ein Setting aus Liebe, Wertschätzung, Respekt, Vertrauen und Zuspruch braucht, versteht, dass Gewalt unter der Geburt direkten Einfluss auf den Geburtsverlauf nimmt und eine massive Störung bedeutet. Wer sich darüber hinaus klar macht, dass eine Gebärende besonders sensibel und empfindsam ist, weil sie sich für eine Geburt öffnen muss und ganz besonders feine Antennen hat, kann ermessen, dass schon ein zu lautes Worte als Grenzüberschreitung aufgefasst werden kann. Die Verletzungen gehen gerade aufgrund der Offenheit der Gebärenden besonders tief. Oberstes Gebot unter der Geburt muss daher die Sensibilität und Bewusstheiter der Geburtshelfer sein.
Roses Revolution Day
Am internationalen Gedenktag für ein Ende der Gewalt an Frauen findet auch die internationale Aktion „Roses Revolution“ statt. Frauen, die Gewalt unter Geburt erlebt haben, legen am 25. November eine Rose vor der Geburtshilfe-Einrichtung ab als Zeichen und Rückmeldung für, dass sich hier etwas ändern muss. Es ist ein Akt der Bewusstwerdung, dass Frauen das Recht auf eine schöne Geburtserfahrung haben, und ein Stück Trauerarbeit für die traumatisierten Frauen.
Mehr zur Aktion, wie diese durchgeführt werden kann, auf der FB-Seite von FlowBirthing.