Ohne Not wird der ehrenwerteste Beruf der Welt dieser Tage lautlos zu Grabe getragen. Ein Aufschrei müsste durch das Land gehen, doch Politik und Medien schweigen. Wenn es nicht so unfassbar wäre, könnte man meine, dies sei gewollt. Sind natürliche Geburten etwa zum Störfaktor geworden, da sie die technisierte, entseelte Welt grundlegend in Frage stellen?
Heutzutage erfolgen nur rund 6 Prozent aller Geburten ohne medizinischen Eingriff. Die Zahl sagt nichts über die Natur von Geburt aus, vieles jedoch über den Umgang mit Gebärenden und die Geisteshaltung unserer Zeit. Zum Hochrisiko erklärt, werden Ängste geschürt, an denen sich verdienen lässt, und schwere Geburten in Kauf genommen werden. Technik, Sicherheit und Kontrolle beherrscht die Geburtshilfe. Natürliche Geburten lassen sich nicht planen, manipulieren, optimieren, und kollidieren daher mit dem System.
Rund ein Drittel der Babys in Deutschland werden per Kaiserschnitt geholt, wobei nur etwa 10 Prozent sein müsste. Jede fünfte Geburt wird eingeleitet und die Geburt für Mutter und Kind erschwert. Für Notfälle ein Segen, ist die moderne Medizin für die 90 Prozent der gesunden Gebärenden zum Problem geworden. Ein System, das auf dem Rücken von Schwangeren arbeitet und sie der elementarsten Erfahrung ihres Frauseins beraubt: das unvergleichliche, spirituelle Erleben einer natürlichen Geburt aus eigener Kraft. Von den nachweislich positiven Auswirkungen auf die Gesundheit beider ganz zu schweigen.
Ein Irrsinn: ausgerechnet die Krankenkassen, welche sich das gesundheitliche Wohlergehen auf die Fahne schreiben, erachten natürliche Geburten als verantwortungslos und für Mutter und Kind gefährlich. In Großbritannien denkt man so nicht mehr: dort wird seit diesem Jahr die Hausgeburt als Geburtsort erster Wahl empfohlen. Eine Nationale Gesundheitsstudie (NICE) belegt, dass für etwa die Hälfte aller Frauen mit einer unkomplizierten Schwangerschaft eine Hausgeburt – oder die Geburt in einem von Hebammen geleiteten Geburtshaus – „sicherer“ ist als die Geburt in einer Klinik. In Deutschland bald nicht mehr möglich, sterben die freien Hebammen aus.
Hebammen waren einst weise Frauen und die Hüterinnen weiblicher Erfahrungswelten. Von Kirche und professioneller Geburtshilfe Anfang des 19. Jahrhunderts bekämpft, trampelt nun eine übermächtige Versicherungsindustrie auf ihnen herum. Wenn mit ihnen das Jahrtausende alte Weisheitswissen von Frauen um kraftvolle, natürliche Geburten verloren geht, dann verliert die Gesellschaft ihre Wurzeln, den letzten ursprünglichen Zugang zur Natur und Schöpfungskraft. In der Unterdrückung der weiblichen Kraft spiegelt sich die Geringschätzung von Mutter Erde und eine immer tiefer werdenden Entfremdung von Mensch und Natur. Eine Kluft, die die Existenz der Welt bedroht.
Die Rettung: Kinder, die von und mit starken Frauen geboren werden, können sich selbst-bewusst entwickeln und werden in Zukunft fragen, was können wir für statt gegen etwas tun. Der Wandel in eine Zeit des Miteinanders und der Verbundenheit wäre damit eingeläutet. Ein Umdenken, das angesichts der allerorten sichtbaren entstellten, d.h. lebensverachtenden Ausformung der Welt, dringend notwendig wäre. Das aber käme der Umwälzung des Systems gleich und daher lässt man Hebammen lieber am ausgestreckten Arm verhungern. Das Weisheitswissen von Frauen ist noch immer eine Bedrohung für das System. Der Hebammenstreit ist ein Richtungsstreit, in welcher Welt wir leben wollen.
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